Videospielen mit Kindern ist wunderbar: Kinder sehen Details, die man sonst kaum bemerkt, interessieren sich nicht für Spielmechanik und eröffnen dem erwachsenen Spieler so einen neuen Blick auf das Spiel. Doch Eltern begleitet die Sorge, ihr Kind mit Games zu überfordern. Manchmal zu Recht.

Schon im Test zu Wreckfest habe ich geschrieben, dass mein Sohn – nennen wir ihn Jakob – beim gemeinsamen Spielen immer wieder fragt: „Das ist nicht echt, oder?“ Der Satz klingt irgendwie putzig: Videospiele – zumindest jene, die man mit Kindern spielt – sind schließlich ganz offensichtlich nicht echt. Auch für ein Kind sieht Mario nicht wie ein Klempner aus, der morgen vor der Tür stehen könnte.

Die Unterscheidung von Realität und Fiktion muss für ein dreijähriges Kind eine besonders essenzielle sein: Jakob lernt täglich Neues über die Welt, darunter auch wundersame und schwer zu glaubende Dinge, die sehr wohl real sind. So habe ich ihm erst kürzlich erzählt: Ein riesiger Stein, der erst durchs Weltall geflogen und dann auf der Erde eingeschlagen ist, hat dafür gesorgt, dass alle, wirklich alle Dinosaurier gestorben sind. Also, was ist echt, was nur Fiktion?

Daneben lesen wir ihm ständig Bücher vor und erzählen ihm Geschichten, von denen er ganz genau weiß, dass sie nicht so geschehen sind. Er hält weder die Paw Patrol noch Peppa Wutz für reale Figuren. Und auch bei Videospielen erkennt er sofort, dass das nur Spiele sind. Dennoch erregt seine Frage bei mir Zweifel, ob das wirklich so gut zusammenpasst, Game und Kind: Warum fragt er das? Verwirrt ihn das Spiel? Hat er Angst? Sollten wir sofort ausschalten?

Genau diese Fragen stelle ich ihm dann auch: Hast du Angst? Sollen wir ausschalten? Allerdings würde er zumindest die zweite Frage niemals bejahen, alles viel zu spannend. Aber da er noch nicht fähig ist, bewusst zu lügen, weiß ich zumindest, ob er gerade Angst empfindet. Aber was ist mit der unbewussten Seite? Ob das Spiel ihn überfordert kann er noch nicht sicher spüren und erst recht nicht mitteilen. Ich muss es erahnen und im Zweifelsfall rechtzeitig den Stecker ziehen.

Im Text zu Wreckfest schrieb ich, dass Jakob die Frage, ob das alles echt sei, häufig stellt, wenn er die Ragdoll-artigen Piloten sieht, wie sie vom Fahrzeug fallen. Ich bin relativ sicher, dass er sich so bestätigen lassen will, dass das Gesehene nur Spaß ist und keine Konsequenzen hat. Und ich merke, dass es ihn nicht belastet. Doch in anderen Momenten werden die Zweifel lauter. Und neulich hatten wir so einen Moment.

Was ist angemessen?

Aus der Stadtbibliothek haben wir uns kürzlich Super Mario 3D World + Bowser’s Fury für die Switch ausgeliehen. Kleiner Exkurs: Prima Sache. Der Jahresausweis der Stadtbibliothek München kostet 20 Euro und sie bietet ein wirklich ordentliches Sortiment an Konsolenspielen. Gerade bei der Switch lohnt sich das schnell.

Wir haben das ursprüngliche Spiel Super Mario 3D World über 5 Wochen wohl so etwa zu einem Viertel gemeinsam durchgespielt. Den Rest habe ich alleine absolviert. Wirklich schöner, abwechslungsreicher Platformer, hat uns beiden viel Spaß gemacht. Vielleicht folgt später ein Test.

Im Anschluss haben wir mit dem Add-on Bowser’s Fury begonnen. Der Ton ist hier ein anderer: Die Welt ist noch einmal deutlich knuffiger als im Originalspiel. Die Sonne scheint, es laufen Babykatzen durchs Bild, die sich bei Annäherung an Mario anschmiegen, man sammelt Katzenmedallions und erleuchtet damit Katzenleuchttürme – alles sehr süß. Nur eine Teer-artige Substanz, die einen Großteil der Open World bedeckt, stört die Harmonie.

Tanuki-Mario und die Baby-Katzen

Alle paar Minuten verdüstert sich dann der Bildschirm, die Sonne verschwindet, es beginnt zu regnen. Dann steigt eine schwarze Albtraum-Version von Marios Erzfeind Bowser aus dem schwarzen Sumpf und greift uns an. Die seichten Mario-Melodien werden abrupt abgelöst durch harte Gitarren-Riffs und Heavy Metal. Die süßen Kätzchen sind plötzlich schwarz, leuchten in bedrohlichem Rot und attackieren uns ebenfalls.

Dem Zweifel besser nachgeben?

Obwohl mir natürlich bewusst war, dass die Sequenz Jakob verängstigen könnte, habe ich das Spiel an der Stelle nicht abgebrochen, sondern nur pausiert und ihn gefragt: Macht dir das Angst? Er sagt nein und will weiterspielen. Nach kurzer Zeit vertreiben wir Bowser und alles ist wieder schön und knuffig – bis zu seinem nächsten Angriff. Jakob und ich machen dann ein kleines Spiel daraus und sagen Bowser, dass er wieder abhauen soll und er uns sowieso nichts anhaben kann. Wenn er uns erwischt, übertünche ich die gruselige Stimmung mit Späßchen. Doch ist das richtig so? Der Zweifel bleibt. Und dann geschieht eine scheinbare Kleinigkeit, die den Zweifel bestätigt.

Mario und die Horror-Katzen nach Bowsers Ankunft

Ein Morgen während der Weihnachtsferien, Jakob wacht wie so oft in unserem Bett auf und fragt mich als erstes: „Gibt es Bowser wirklich?“ Hat er vom fiesen dunklen Bowser geträumt? Er wirkt völlig unbekümmert und erzählt nichts von einem Traum. War das dennoch zu viel? Es scheint nicht, als würde es ihn belasten, doch ich habe ein schlechtes Gewissen. Bowser’s Fury spiele ich alleine fertig und er erwähnt es nicht mehr. Mittlerweile mussten wir das Spiel der Bücherei zurückgeben.

Es gibt sicher keinen Grund, den Satz zu sehr zu dramatisieren. Vielleicht hat er nur meine bestehende Sorge getriggert, dass das Spiel nichts für Jakob sein könnte. Das pädagogische Sich-Sorgen-Machen ist wahrscheinlich fester Bestandteil des Spielens mit Kind. Als nächstes spielen wir jedenfalls Paw Patrol, das Spiel zum Kinofilm. Das sollte eine sichere Sache sein.

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