Eltern versuchen ständig, das Verhalten ihrer Kinder zu beeinflussen: Tu dies, lass jenes! Das kann für beide Seiten anstrengend sein. Gamifiziert man alltägliche Problemchen, kann das vielleicht manches erleichtern. Ein Selbstversuch.

Videospieler grinden sich stundenlang durch Rollenspiele, erledigen auch das zwanzigste eintönige Fetch-Quest und probieren eine unfaire Stelle in einem Plattformer so lange, bis sie die Passage endlich schaffen – und das alles freiwillig. Wie schaffen es Spiele, uns dazu zu bringen, langweilige Dinge in unserer Freizeit zu erledigen? Warum lernen wir durch endlose Wiederholung völlig nutzlose Fertigkeiten? Und wie können Eltern das dazu nutzen, um ihre Kinder zu Dingen zu motivieren, die in deren Augen ebenso völlig langweilig, nutzlos und frustrierend sind?

Gute Videospiele belohnen uns Spieler ständig und halten uns gleichzeitig weitere Belohnungen vor die Nase wie die sprichwörtliche Karotte am Stiel. Endlich haben wir genug Fähigkeitspunkte, um den lange ersehnten Skill freizuschalten und sehen im Skilltree, was wir alles noch nicht erreicht haben. Wir besiegen nach langem Kampf einen Bossgegner und wissen, dass noch drei weitere auf uns warten. Jeder Highscore, mit dem wir uns in die Bestenliste eines Arcade-Automaten eintragen, hat ein Ablaufdatum – früher oder später werden wir wieder nach unten aus der Bestenliste verdrängt. Im besten Fall erzeugt die Spielmechanik selbst einen unwiderstehlichen Reiz, weiterzuspielen, den die Spielepresse früher „süchtigmachend“ nannte. Bei Civilization heißt das „Nur noch eine Runde…“.

So stark der Anreiz von Spielen ist, so schnell verfliegt er auch wieder. Spieler kennen den Moment, wenn alles erreicht ist, wir mehr Geld haben als wir ausgeben können, es nichts mehr zu erleben gibt außer mehr vom Gleichen. Alle Spannung verpufft. Ein gutes Spiel zeichnet die richtige Balance aus Herausforderung, kleinen Belohnungen und immer neuen Zielen aus.

Mehr Gamifizierung wagen

Natürlich wollen Eltern ihre Kinder nicht frustrieren oder langweilen. Doch viele Dinge, die ein Kind lernen muss, machen keinen Spaß. Warum soll ich Zähneputzen anstatt zu spielen, warum in die Schule gehen und dort ruhig sitzen, warum teilen, obwohl ich etwas für mich allein haben möchte?

Die meisten Eltern, die ich kenne, möchten so wenig wie möglich bestrafen – mich eingeschlossen. Es ist für alle am angenehmsten, wenn die notwendigen Dinge im Alltag sich von selbst ergeben und kein Druck, kein Zwang wahrnehmbar ist. Games schaffen das offensichtlich. Warum also nicht mehr Gamifizierung wagen?

Neulich haben wir einen solchen Versuch unternommen: Unser Sohn „Jakob“ möchte seit einiger Zeit nicht mehr alleine einschlafen. Er verlangt, dass Papa oder Mama bei ihm im Zimmer sitzen bleiben, bis er eingeschlafen ist. Das ist völlig verständlich – wer schläft schon gern allein? – und auch nicht weiter tragisch. Dann sitze ich eben jeden zweiten Abend 10 Minuten bis eine Stunde im dunklen Kinderzimmer, höre Podcasts und spiele am Handy.

Wir finden allerdings nicht wirklich einen Weg, etwas daran zu ändern. Sobald wir nur darüber sprechen, ob er nicht einmal versuchen möchte, alleine einzuschlafen, wird Jakob latent panisch und bettelt, dass wir bei ihm bleiben. Auf mittlere Frist wäre es natürlich schon praktischer, wenn es nicht nötig wäre, im Zimmer zu bleiben. Das Thema scheint mir ein ziemlich guter Gamifizierungs-Testfall: Kein zeitlicher Druck und ein Problem, mit dem ich notfalls auch leben kann.

Jakobs Super-Stickerkarte

Also habe ich mich hingesetzt und in Photoshop eine Stempelkarte mit Paw-Patrol-Thema zusammengeschraubt, wie manche Friseure oder Cafés sie bieten. Dazu habe ich auf Amazon für ein paar Euro einen Bogen Paw-Patrol-Sticker bestellt. Die Idee: Jedes Mal, wenn Jakob nach seiner Gute-Nacht-Geschichte ohne uns im Raum einschläft, darf er einen Sticker kleben. Beim siebten Sticker darf er sich ein kleines Spielzeug aussuchen.

Jakob springt sofort auf seine Stickerkarte an und versucht seither jeden Abend, alleine einzuschlafen. Das klappt nur alle paar Tage. Dann ist Jakob am nächsten Morgen aber mega-stolz und freut sich auf seinen Sticker. Auch wenn unser Ziel noch nicht hundertprozentig erreicht ist, haben wir zumindest einen Weg gefunden, übers alleine Einschlafen zu sprechen. Und vor allem: ohne Angst und ohne Druck. Der Test ist damit in meinen Augen ziemlich erfolgreich ausgegangen und das wird sicher nicht unser letzter Versuch gewesen sein, die Erziehung stärker zu gamifizieren.

Wie nutzt Ihr, lieber Leser und Leserinnen, Gamifizierung in der Erziehung? Lasst gerne ein Kommentar da oder schreibt etwas auf Twitter.

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